Unzufrieden und unglücklich im Job? Der ausgebildete Bauarchitekt Johannes Harrer hat beruflich die Reißleine gezogen. In der eigenen Zuckerbäckerei ist der steirische Tortenbaumeister nun seines eigenen Glückes Schmied – und zufrieden.
Das Leben ist zu kurz, um im Beruf unglücklich zu sein. Und doch sind viele, die ihre berufliche Karriere selbst in der Hand haben, genau das: demotiviert, unerfüllt und unglücklich. In dieser verzwickten Lage war auch Johannes Harrer aus Fladnitz an der Teichalm. Nach Abschluss der HTL Ortwein in Graz war der Weg ins Baugeschäft geebnet. „Im Zuge der Ausbildung habe ich erkannt, dass einiges nicht so ist, wie ich es mir vorgestellt habe. Architektur interessiert mich nach wie vor, aber ich kann mir nicht vorstellen, damit meine Brötchen zu verdienen. Das wären 40 unglückliche Berufsjahre“, ist er sich sicher.
Staubzucker statt Zement
Statt auf Baustellen ging es in die Tourismusschule Bad Gleichenberg. Dort tauschte der Baumeister den Betonrüttler gegen Rührwerk und Zement gegen Staubzucker und absolvierte den Konditormeister. „Meine Mutter hat bei mir das Talent zum Tortenbäcker schon früh erkannt. Sie hat aber mit dem HTL-Abschluss nicht mehr damit gerecht, dass ich die Baumeisteroption verwerfe. Man folgt eben den Dingen, die man machen will“.
Die Hochbauten sind dem Konditormeister geblieben, auch ein bisschen Statik berechnen muss er noch, denn der 38-Jährige hat sich auf Hochzeitstorten spezialisiert. Dekoriert mit frischen Blumen und essbaren modellierten Motiven. Eine halbe Tonne an Früchte wird dafür zu Marmelade und Sirup verarbeitet. Täglich sind es bis zu drei Backwerke, die kunstvoll verziert in der feinen Zuckerbäckerei am Fuße der Teichalm gefertigt werden.
Die Mama geht dem Zuckerbäcker zur Hand
„Gut ein halbes Jahr vor der Hochzeit kommen die Brautleute zur Baubesprechung des süßen Blickfangs.“ Die Torte ist neben Brautkleid und Eheringe immer noch das Highlight jeder Hochzeit. Im Mai herrscht Hochsaison in der Backstube. „Das ist mit vielen Hochzeiten, Firmungen, Erstkommunion und Jubiläen das zweite Weihnachten“, strahlt der Zuckerbäckermeister, dem Mama Waltraud (66) fleißig zur Hand geht.
An sein Meisterstück – eine fünfstöckige Hochzeitstorte – erinnert sich der diplomierte Tortenbauer mit Schaudern. „Dieses monströse Backwerk musste ich heil nach Ungarn bringen. Die fünfstündige Fahrt hat viele Nerven gekostet. Auf der holprigen ungarischen Autobahn habe ich intensiv gebetet.“ Peinliche Hoppalas, grobe Pannen und kurzfristig abgesagte Hochzeiten blieben bislang aber aus.
Seit vier Jahren hat Johannes Harrer seine eigene Zuckerbäckerei und viel Kundschaft, die beim Spätberufenen die süßen Kunstwerke ordert. „Viele sind von meinem Werdegang überrascht, finden es aber echt cool. Ich habe ein gutes Auskommen mit dem Einkommen.“ Denn Geld allein macht das Glück im Job nicht aus. „Wenn du etwas machst, was dir taugt, kommt das Geld automatisch“, schreibt Johannes Harrer jenen mit Zuckerguss ins Lebensbuch, die Motivation für eine neue Weichenstellung brauchen. „Mein Schritt war ohne Zweifel riskant, aber er hat sich gelohnt. Ich bin die meiste Zeit ausgebucht.“
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